Freitag, 24. Oktober 2025

Rezension "Mama, bitte lern Deutsch" von Tahsim Durgun

In aller Kürze
Story: Tahsim erzählt von seinem Leben und Aufwachsen in Deutschland
Spannung: was erfahre ich über Migranten
Charaktere: authentisch
Sprecher: Tahsim Durgun liest sein Hörbuch gut ein
Schreibstil: definitiv nicht „poetische Sprachgewalt“ wie im KT geschrieben, locker-leicht trifft es

‘*‘ Meine Meinung ‘*‘
Nachdem eine Freundin von diesem Buch geradezu schwärmte, wollte ich mir selbst ein Bild machen und griff zur Hörbuchversion. Doch leider kann ich ihre Begeisterung nicht teilen.
Ich hatte gehofft, mehr über Tahsims Mutter zu erfahren; über ihr Leben, ihre Gedanken, darüber, wie sie sich in einer Gesellschaft behauptet, die ihr wenig Raum lässt. Stattdessen wird der titelgebende Aspekt nur flüchtig gestreift: Die Mutter hatte keine Zeit, weil sie sich um ihre Putzstelle, Kinder, Haushalt und Familie kümmern musste. Doch was dabei fehlt, ist jede Spur von Emotionen. Wie sie ihr Leben empfindet, findet keinen Platz in der Geschichte.
97 Prozent des Buches besteht aus episodenhaften Schilderungen aus Tahsims Leben. Leider bedienen diese Geschichten vor allem jene Klischees, die man von Erzählungen aus sogenannten Brennpunktvierteln längst kennt. Die Tiefe, die ich mir erhofft hatte, blieb aus; stattdessen bleibt ein Gefühl von Wiederholung und Oberflächlichkeit zurück.
Tahsim reagiert impulsiv und aggressiv, sobald er meint, seiner Mutter werde nicht der gebührende Respekt entgegengebracht. Und wundert sich dann, dass ein Mann von der Security beim Gespräch auf dem Amt anwesend ist. Viele erleben Ähnliches, ohne sich in Pöbeleien zu verlieren.
Wiederholt fragte ich mich, warum nicht die älteste Tochter die Mutter zu Arztbesuchen begleitet – ein Gespräch unter Frauen wäre doch die logische Schlussfolgerung gewesen. Doch das bleibt unerwähnt, und meine eigenen Gedanken dazu behalte ich lieber für mich.
Wenn die Mutter ihren Sohn tatsächlich mit „Sohn eines Esels“ betitelt, sobald er den Erwartungen der kurdischen Gesellschaft nicht entspricht, dann überrascht der rauhe Ton nicht. Umso fragwürdiger erscheint mir jedoch das wiederkehrende Verlangen nach Respekt.
Vor dem Hintergrund des Titels stellte sich mir zudem die Frage, ob die falsche Grammatik, das Verschlucken von Endungen, stilistisches Mittel sind oder schlicht beim Einlesen entstanden. Ein vereinfachtes Beispiel: „Ich habe ein Wunsch“ statt „Ich habe einen Wunsch“. Wobei es auch noch einen Unterschied macht, ob es in direkter Rede verwandt wird oder im Text an sich.
Für mich war dieses Buch letztlich eine Enttäuschung. Es bestätigt Klischees, anstatt sie zu hinterfragen; es befeuert imho Vorurteile, anstatt Verständnis zu schaffen. Statt Tiefe bleibt nur ein flüchtiger Eindruck und das leise Bedauern über ein ungenutztes Potenzial.
Von mir erhält dieses Buch daher nur 2 Lern-Sterne.

‘*‘ Klappentext ‘*‘
Noch bevor Tahsim Durgun die Grundschule abschließt, muss er für seine Mutter die Abschiebebescheide entziffern, begleitet sie als Dolmetscher zu intimen Arztbesuchen und verliest Aldi-Kataloge am Fliesentisch. So wie Tahsim geht es vielen jungen Menschen mit Migrationsgeschichte, die früh Verantwortung für ihre Eltern übernehmen und gleichzeitig einen Platz finden müssen in einem oft feindseligen Land.
Schreiben sie die besten Noten, bekommen sie trotzdem nur eine Hauptschulempfehlung. Fahren ihre Mitschüler:innen in den Urlaub nach Thailand, dürfen sie Deutschland nicht verlassen, weil sie kein gültiges Reisedokument besitzen. Hilflosigkeit, Angst und Überforderung sind ihre stetigen Begleiter, Einfallsreichtum und Empathie ihr Handwerkszeug.
Mit messerscharfer Intelligenz, poetischer Sprachgewalt und zynischem Humor: Internet-Star Tahsim Durgun reflektiert die Lebenswirklichkeit der postmigrantischen Gesellschaft. Vor dem Hintergrund seiner eigenen Lebensgeschichte in einer kurdisch-deutschen Familie rechnet Tahsim ab mit der deutschen Bürokratie und zeigt gleichzeitig tiefen Respekt für seine Mutter und ihre Errungenschaften, die für die deutsche Gesellschaft immer unsichtbar bleiben werden.

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