Heute sind sich dieser steife Blutsauger und die holden Elfen beim Herrenausstatter begegnet.
Lest selber:
Fergulas war erleichtert, den Vampir hinter sich zu lassen. Er war
nicht stolz drauf, aber allein die Erinnerung an diese kalten Augen,
jagten ihm einen Schauer über den Rücken.
"Warum hast du nicht
einfach seinen Mantel in Brand gesteckt?", fragte Lani. "Wenn ich
zaubern könnte, hätte ich ihm seine Lippen versiegelt. Und was ist schon
ein Vampir ohne Zähne?"
"Aber du hast noch keine Magie und das ist
gut so. Dir fehlt einfach der Weitblick", entgegnete Fergulas. Das klang
ziemlich weise!
"Weitblick? Von wegen! Du bist ein Feigling, Fergulas von Fichtenstein. Das ist alles."
"Ich
habe keine Angst."Es klang wenig überzeugend. Dieses kleine Mädchen
trieb ihn in den Wahnsinn. Sie war wie ein Wirbelsturm. Nicht zu
bändigen. Und definitiv nicht gut erzogen. Kein Wunder. Sie kam nicht
aus der Stadt Immerblau, sondern aus einem kleinen Dorf mit dem Namen
Efeu. Dorfelfen fehlte es meistens an Manieren.
Fergulas hatte
versprochen auf Lani aufzupassen, aber es war wahrscheinlich einfacher
einen Sack Flöhe zu hüten, als zu verhindern, dass diese Mädchen sich in
Schwierigkeiten brachte.
Vor einem Geschäft blieb er stehen. Brooks Brothers stand in goldenen Buchstaben auf dem Eingangsschild geschrieben.
"Hier müssen wir rein", sagte er, während er sich die edle Garderobe im Schaufenster ansah.
Kleidung schafft Einfluss, pflegte sein Vater zu sagen.
"Och nö. Muss das sein?" Lani schob die Unterlippe vor.
"Ja, es muss!"
"Das sieht langweilig aus."
Fergulas
ignorierte das Mädchen, erklomm die Stufen und drückte die Tür auf. Ein
leichtes Klingeln verkündete dem Besitzer, dass Kundschaft den Laden
betrat.
Während Lani und Amber hinter einem Regal mit Krawatten
verschwanden, schaute Fergulas sich um. Er ließ seine Hände über die
feinen Stoffe gleiten und stellte sich vor, wie sie ihn wohl kleiden
würden. Er nahm eine Jacke ab und hielt sie vor sich. Prüfend warf er
einen Blick auf sein Spiegelbild. Bei dem Anblick verzog er automatisch
das Gesicht. Eine Narbe zog sich von der Stirn bis über die Ohren. Sein
dichtes, blondes Haar war über der Stelle kurz. Daher trug er meistens
ein Tuch, welches den Makel verstecken sollte.
"Wenn ihr schon nichts kaufen wollt, dann lasst eure Pfoten davon!", rief eine vertraute Stimme.
Och
ne. Fergulas lugte um die Ecke. Lani hatte die Seidenkatze Amber mit
Krawatten behängt. Vor ihnen baute sich nicht etwa der Ladenbesitzer
auf. Nein, es war der Vampir, der sie mit wütenden Augen ansah.
"Lass mich in Ruhe!", rief Lani. "Oder lasse dir Pilze aus den Ohren sprießen."
Als ob sie das könnte!
Der
Vampir sah Lani fassungslos an. Fergulas konnte förmlich sehen, wie
ihre Worte in seinem Gehirn rotierten. Dann verdüsterte sich sein
Gesicht. Er ging auf Lani zu, doch seine Erscheinung änderte sich. Seine
Augen waren schwarz, ebenso wie die Adern unter der blassen Haut. Amber
fauchte erschrocken und versteckte sich hinter der Elfe. Typisch. Zwar
waren Seidenkatzen imposante Erscheinungen, aber trotz Größe vollkommen
nutzlos. Das Einzige, was sie mit ihren Krallen anstellten, war
Kralliküre.
"Du drohst mir, du Clown?"
Clown? Was war das denn für
eine Beleidigung? Ein jähzorniger Vampir mit dem Intellekt eines
Schulkindes. Aber abgesehen davon war er gefährlich und Lani hatte es
geschafft, ihn gegen sich aufzubringen. Dabei konnte sie noch nicht
einmal zaubern, geschweige denn die Magie sehen.
Er hingegen
konnte es. Er sah den goldenen Staub, der ständig präsent war und alle
Wesen miteinander verband. Er sah, wie die Stärke des Vampirs die
Körnchen zum beben brachte. Es war eine düstere Art der Kraft ... und
eine plumpe.
Im Prinzip war es ein Fluch, der dieses Geschöpf am
Leben erhielt, solange er dem verfluchten Körper Blut zuführte. Vampire
waren in seinen Augen wie Drogenabhängige.
"Ich habe keine Angst,
Bleichgesicht." Lanis Hände waren in ihrer Hosentasche. Wahrscheinlich
würde sie jeden Moment nichtabwaschbares Juckpulver auf ihn werfen.
Fergulas seufzte innerlich und dachte kurz daran zu verschwinden, sich
einfach umzudrehen. Besonders edel wäre das nicht.
Also hob er die
Hände und griff nach der Magie. Er überlegte, das Herz des Vampirs mit
einer unsichtbaren Hand zu zerquetschen und das Problem schnell und
schmerzlos zu lösen, aber dann wäre er nicht besser als dieses traurige,
hirnbefreite Geschöpf. Fergulas seufzte innerlich. Was tat man nicht
alles, um sich dem Vater gegenüber als würdig zu erweisen. Nein, er
musste wie ein Elf und Edelmann handeln, auch wenn es anstrengend war.
Die
goldenen Körner gehorchten seinen Anweisungen und begannen zu rotieren.
Sie verdichteten sich, webten dünne Fäden, die sich miteinander
verschlangen und ein dichter Nebel verbreitete sich zwischen den
Regalen. Das würde noch nicht reichen.
Fergulas ging in die Knie und
legte seine Hand auf den Boden. Erneut griff er nach der Magie, um die
Materie des Bodens zu ändern. Die Körner flossen durch den Pakettboden,
direkt unter die Füße des Vampirs. Plötzlich gab der feste Boden nach
und die Füße des Vampirs versanken bis zu den Knien im Morast. Das würde
hoffentlich reichen!
"Beweg dich, Alania!", schrie Fergulas gegen das wütende Brüllen des Vampirs an. "Wir hauen ab."
Es
reichte nicht. Während Lani und Amber auf den Ausgang zu sprinteten,
zog sich der Vampir aus dem Morast. Seine Wut, vermutlich aus dem
gekränkten Stolz resultierend, lud die Luft auf. Vampire waren vor allem
eins: Schnell beleidigt! Aber jetzt war es zu spät es mit Diplomatie zu
probieren.
"Lauf!" Er schob Alania durch die Tür, wurde aber im
selben Moment am Arm gepackt und nach hinten gerissen. Der Vampir beugte
sich über ihn mit tiefschwarzen Augen.
"Du wagst es, mich
anzugreifen? Mich?!" Fergulas spürte wie sich eine Hitze in seinem
Körper ausbreitete. War das so etwas wie Magie, was der Vampir ausübte?
Es fühlte sich an, als ob seine Knochen in Flammen standen.
"Ihr verfluchtes Hexenpack habt keine Ahnung, mit wem ihr euch angelegt habt."
Jaja. Krieg dich wieder ein.
Fergulas
biss die Zähne zusammen. Er hatte für einen Moment die Konzentration
verloren und der Nebel, den er geschaffen hatte, löste sich auf.
Dieser Tag war einfach nur zum Kotzen. Warum hatte er Lani nur mit zum shoppen genommen?
Während er fieberhaft überlegte aus der Situation herauszukommen, zog ihn der Vampir hoch.
"Lass
ihn in Ruhe!". Anstatt wegzurennen, waren Lani und Amber zurückgekehrt.
Die Elfe trat dem Vampir gegen das Schienbein, während Amber ihre Zähne
in das Fleisch schlug.
"Bein schmeckt ekelig", knurrte sie. "Amber Vegetarier."
"Dann schlitze ihn auf!"
"Geht nicht! Krallen neu lackiert!"
Eins
musste man Lani lassen. Sie hatte Mut und das Herz einer Löwin. Dank
ihrer kurzen Ablenkung spürte Fergulas den Schmerz, der seinen Körper
gefangen hielt, schwinden.
Der Vampir fegte Lani mit einem Tritt zur
Seite. Offenbar war er wie erwartet barbarisch und aufbrausend, wenn er
nicht mal vor Kindern halt machte. Ein Gentleman war das jedenfalls
nicht. Es war Zeit, ihm Manieren beizubringen.
Fergulas tastete nach
der Magie, ließ sie durch sich hindurchfließen und schaute durch ihre
goldenen Augen. Die Zeit spielte für sie keine Rolle, denn sie
existierte überall, floss vor und zurück wie es ihr beliebte. Der Elf
ließ sich von ihr tragen und tastete sich mit ihren Fühlern voran.
Vor
ihm stand der Wut schnaubende Vampir im Anzug. Sein Brustkorb hob und
senkte sich, ganz langsam. Immer langsamer. Es war, als ob die Zeit
selbst den Atem anhielt. Nur nicht für Fergulas. Er würde diesen Zustand
nicht lange aufrecht erhalten können, aber es würde ihm Zeit
verschaffen.
Fergulas tastete nach Lani. Er konnte ihren Schmerz
spüren, ihren hektischen Atem. Ihr Herz hämmerte gegen den Brustkorb.
Aber sie war unverletzt. Amber lag in Lanis Armen und zitterte. Das
Gesicht der Seidenkatze drückte Lani fast die Luft aus den Lungen, aber
die Elfe hielt sie fest.
Fergulas formte mit der Magie Finger. Sie
bildeten einen Hohlraum, der Elfe und Seidenkatze in sich einschloss,
ähnlich einem Ei. Dann ließ er die Wand zur Seite fließen und das Ei
hinausrollen, geradewegs durch die Regale und Wand aus dem Laden heraus.
In Sicherheit.
Er sah sich um. Brooks Brothers sah aus, als hätte
sei ein Wirbelsturm durch den Laden gefegt. Die teuren Stoffe und Mäntel
lagen auf dem Boden verteilt. Regale waren umgestürzt oder in sich
zusammengeklappt. Fergulas spürte wie ihm die Magie entglitt. Die Zeit
würde nicht länger still stehen. Sie drängte darauf wieder loszupreschen
und zerrte an Fergulas Bewusstsein.
Er musste sich beeilen und
ließ die Körner erneut zusammenfließen. Sie formten ein glühendes
Zentrum, das die vertraute Gestalt seines Lichtzaubers annahm. Ein
fliegenden Rochen, der so hell glühte, dass das Licht die Kreatur der
Nacht blendete. Im selben Moment, als Fergulas Zauber zum Leben
erwachte, zog er sein Schwert Sonostir. Er stieß die Klinge gegen den
Arm, der ihn festhielt und spürte wie sich die weißen, korallenartigen
Finger lösten.
Bloß weg hier!, dachte er und wirbelte herum. Aber
der Vampir hatte noch nicht genug. Rasend vor Schmerz hörte Fergulas,
wie er gegen ein Regal schlug.
Der Elf wollte seinen Schritt
beschleunigen, da traf ihn etwas an den Fersen. Er verlor das
Gleichgewicht, Sonostir rutschte ihm aus der Hand und fiel -recht
unelfenhaft- in einen Berg Socken. Gut, dass sein Vater nicht hier war
und sein Versagen mit ansah.
Fergulas drehte sich um. Er griff nach der Magie, um sie wie ein Schild vor sich zu sammeln.
"Ihr hättet in eurem Wald bleiben sollen", fauchte die Kreatur.
Fergulas
ahnte, dass der Vampir erst aufgeben würde, wenn er tot war. Da stand
kein glitzernder Gentleman mit tiefen Gefühlen vor ihm, sondern eine
blutgierige Leiche, am Leben gehalten durch einen düsteren Zauber.
"Keine Bewegung und lassen Sie den Mann los. Sir!"
Fergulas
sah einen Menschen, der eine Handfeuerwaffe auf den Vampir richtete.
Der Sicherheitsbeamte hinter dieser Waffe war nicht mehr der Jüngste,
wirkte aber fest entschlossen. Etwas zu entschlossen für jemandem, an
dem die Magie zu klar vorbeifloss. Manchmal bemitleidete Fergulas die
Menschen für ihre Blindheit gegenüber dem goldenen Strom. Sie wandelten
jenseits allem magischen. Allein und abgetrennt von der wunderbaren
Welt, die er sehen konnte.
"Sonst was?", fragte der Vampir und entblößte in einem diabolisch Grinsen seine Fangzähne.
"Sonst
blase ich dir ein Loch in den Schädel", erwiderte der Mann. "Lass ihn
los und dann werdet ihr schön mitkommen. Alle beide. Ich hab genau
gesehen, was ihr hier veranstaltet habt. Und das werde ich auf keinen
Fall dulden. Nicht in meiner Schicht. Verstanden? Und nun hört auf, euch
wie alberne kleine Kinder zu benehmen!"
Der Vampir sah überrascht
aus, aber zu Fergulas Verwunderung zerriss er den armen Kerl nicht. Er
schien sichtlich verunsichert über die Herausforderung.
"Diese Fehde zwischen Vampiren und Elfen hängt mir langsam zum Hals heraus. Wir werden das jetzt klären. Ein für alle mal!"
© Caroline Brinkmann und ihre Facebookseite findet ihr hier
(© Sandra Florean) und ihre Facebookseite findet ihr hier
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Jaaa Elfen an die Macht ;-)
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